Mass Customization: Individualisierung mittels Konfigurator
Individualisierung ist ein Trendthema. Was aber ist dran an dem Ansatz, dass dadurch alles besser wird? Für Unternehmen, für Konsumenten, für die Umwelt? Welche Branchen nutzen Konfiguratoren, um ihre Produkte individualisierbar anzubieten? Und wie sieht der Markt für ein individualisierbares Produkt in Deutschland aus? Wir haben dazu eine kurze Übersicht erstellt!
Was bedeutet „Mass Customization“?
Mass Customization bezeichnet die Herstellung von kundenindividuellen Produkten. Im Herstellungsprozess sollen jedoch nicht die hohen Kosten der Einzelanfertigung anfallen, sondern durch die Nutzung des Prinzips der Massenfertigung weitaus geringere Kosten. Als Synonym für Mass Customization wird auch Losgröße 1 oder kundenindividuelle Massenproduktion verwendet. Klar ist, Mass Customization in der Fertigung ist die Zukunft. Denn nur so kann die Industrie auf die speziellen Wünsche von Konsument:innen eingehen. Und dieser Fokus verlangt nach einem hohen Grad an Produktdifferenzierung bei gleichbleiben-den Skalierungseffekten der Massenproduktion.
Losgröße 1 - Zauberwort oder alter Hut?
Losgröße 1 bzw. Einzelfertigung ist in der Automobilindustrie schon lange Realität. Auch im Sonderanlagenbau ist jedes Bauteil eigentlich ein universelles Einzelstück, in der Medizintechnik gilt das in weiten Bereichen ebenso. Warum also die Euphorie? Ganz einfach: Neue Technologien (Stichwort IoT-Technologien, additive Fertigung) rücken die Fertigung kleiner Losgrößen auch für andere Branchen in die Wirtschaftlichkeitszone. Damit gewinnt Losgröße 1 in der klassischen Massenproduktion an Bedeutung.
Die Produktion in Losgröße 1 bzw. Mass Customization ist ein wesentliches Ziel von Industrie 4.0. Digitalisierte Produktionsprozesse liefern Live-Daten in Echtzeit und sorgen dafür, dass die Zusammenarbeit aller an der Produktion beteiligten Firmen nahtlos und effizient möglich ist. Das Resultat: Eine hohe Anpassungsfähigkeit und Flexibilität entlang der gesamten Wertschöpfungskette.
Fertigungsprinzipien für die kundenindividuelle Produktion
Es gibt unterschiedliche Prinzipien, nach denen “individualisiert” gefertigt werden kann:
Assemble to Order (ATO)
In den Bereichen Entwicklung, Konstruktion, Beschaffung und Produktion wird basierend auf Prognosen gefertigt. Erst wenn individuelle Kundenwünsche in der Produktion eintreffen, wird die spezifische Variante fertiggestellt. Das heißt ab der Endmontage und Distribution ist die Fertigung kundenspezifisch, also auftragsgetrieben.
Build to Order (BTO) bzw. Make to Order (MTO)
Die Fertigung wird durch Kundenaufträge ausgelöst. Der Kundenauftrag ist in den Bereichen Entwicklung und Konstruktion prognosegetrieben. Die Beschaffung, Produktion, Endmontage und Distribution sind auftragsgetrieben. Das führt dazu, dass die Erfüllung von Kundenwünschen mit höheren Lieferzeiten verbunden ist.
Engineer to Order (ETO)
Erst nach dem Eingang eines Kundenauftrags wird der Entwicklungs- und Konstruktionsprozess ausgelöst. Die Bereiche Konstruktion, Beschaffung, Produktion, Endmontage und Distribution sind bei Engineer to Order alle auftragsgetrieben.
Grundvoraussetzung für alle Konzepte ist, dass die Prozesse zwischen Zulieferer, Produzenten und Abnehmer ohne Unterbrechung und fehlerfrei ablaufen, um Kosten-, Zeit-, Qualitäts-, Flexibilitäts- und Servicevorteile zu erzielen.
Tipp: Die Umstellung auf individuelle Massenfertigung darf nicht unterschätzt werden, da das Geschäftsmodell geändert werden muss. Die erfolgreichsten Unternehmen im Bereich Customization sind aktuell Start Ups, da sie mit dem Fokus auf Digitalisierung mit diesem Geschäftsmodell bereits seit Beginn konfrontiert sind. Die Möbelbranche beispielsweise hätte ein immenses Potenzial, lässt auch nach und nach Ihre Kund:innen Produkte konfigurieren. Diese müssen danach jedoch monatelang auf die Lieferung warten. Das ist alles andere was man unter einer optimalen Mass Customization versteht. Neugierig geworden? Für vertiefende Infos empfehlen wir das Interview von Prof. Frank T. Piller.
Was hat Individualisierung mit dem Einsatz von Konfiguratoren zu tun?
“Der Kunde ist König” bekommt beim Thema Individualisierung eine vollkommen neue Dimension. Denn Produkte werden im Idealfall mit Hilfe eines 3D Konfigurators von den Kund:innen selbst gestaltet, bestellt und in Auftrag gegeben. Produktkonfiguratoren, CPQ-Konfiguratoren oder Variantenkonfiguratoren sind digitale Anwendungen, die als Customer Touch Points einen enormen Stellenwert bekommen. Auch wenn begleitende Verkaufsgespräche (überwiegend im B2B Bereich) stattfinden, ist die Usability des Konfigurators ausschlaggebend für den gesamten Kauf-, Bestell-, und Fertigungsprozess. Denn der Konfigurator stellt sicher, dass die Funktionalität des Endprodukts gewährleistet bleibt, und ebenso die technische Realisierbarkeit in der Fertigung berücksichtigt wird. Aus diesem Grund bieten Konfiguratoren für kommerzielle Endprodukte immer einen klar definierten Lösungsraum, der mithilfe von Produktlogiken abgebildet wird.
Heute sind Konfiguratoren hocheffiziente Vertriebstools. Im B2B Bereich haben sich die Begriffe Angebots- oder CPQ-Konfigurator (Configure Price Quote) bzw. Guided Selling Tool durchgesetzt. Dank 3D-Rendering in Echtzeit liefern sie perfekte Modelle der individualisierten Produkte mit allen Produktspezifikationen für die verschiedensten ERP- und CRM-Systeme.
Erfolgreiche Beispiele von Konfiguratoren:
- Leuchten Konfigurator
- Motorrad Konfigurator
- Hundebox Konfigurator
- Möbel Konfigurator
- Regal Konfigurator
- Systemmöbel Konfigurator
Aber was ist mit der Umwelt?
Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Klimawandel sind keine Nischenthemen mehr. Die Neuausrichtung herkömmlicher Konsummuster wird im kommenden Jahrzehnt im wahrsten Sinne überlebenswichtig. Unternehmen, die zukunftsfähig bleiben wollen, müssen bereits heute Ökologie-Potenziale erkennen und handeln.
Die Vorteile einer kundenspezifischen und individualisierten Produktion sind in erster Linie der effiziente Ressourceneinsatz:
- Anbieter produzieren idealerweise für den konkreten Bedarf, dies führt zu reduzierten Retouren, reduzierten Lagerbeständen und reduzierter Überproduktion.
- Recycling, Reparatur und Wiederverwendung werden erleichtert, da Produkte am Ende ihrer Lebensdauer leichter zu lokalisieren sind (über gespeicherte
- Ebenso verbessert eine modulare Produktarchitektur die Recyclingfähigkeit von Produkten
- Kund:innen haben die Möglichkeit die nachhaltigste Variante eines Produkts zu konfigurieren
Darüber hinaus lassen sich eine Fülle an Kundendaten und Informationen über Kundenbedürfnisse gewinnen, die bei traditionellen Marktforschungsmethoden nur schwer ermittelbar sind. Unternehmen haben damit ein zusätzliches Instrument zur frühen Antizipation von Marktentwicklungen. Wenn Mass Customization nicht als reines Ziel betrachtet wird, sondern als Prozess, sich den Wünschen der Kund:innen zu nähern, können neue und umweltverträgliche Geschäftsmodelle erschlossen werden. Umfangreichere Informationen zur Nachhaltigkeit unterschiedlicher Produktionsprozesse in Zusammenhang mit Industrie 4.0 liefert die kostenlose Veröffentlichung “A Sustainability Assessment of Smart Innovations for Mass Production, Mass Customization and Direct Digital Manufacturing”.
Mass Customization und der Einsatz von Konfiguratoren in Deutschland
Die deutsche Industrie zeigt einen klaren Trend zur Mass Customization. Im deutschen Industrie 4.0 Index von 2018 gaben 20 Prozent von 400 befragten Unternehmen an, Losgröße 1 realisiert zu haben. In den nächsten Jahren wollten beinahe 50 Prozent Einzelanfertigungen zu Kosten einer Serienfertigung umsetzen. Sechs von zehn der damals befragten Unternehmen betrachteten die Losgröße 1 als wichtigen Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg ihres Unternehmens.
Im Konsumgüterbereich steht Deutschland beim Angebot kundenindividueller Lösungen weltweit an der Spitze. Als größte Online-Sammlung digitaler Produktkonfiguratoren liefert der Configurator Database Report folgende Zahlen für den Einsatz von Produktkonfiguratoren im weltweiten Vergleich:
Betrachtet man in Deutschland die Branchen, welche 3D Konfiguratoren im Verkauf nutzen, führt hier die Branche "Haus & Garten":
Fazit
Der Trend geht im Zuge von Industrie 4.0 klar in Richtung Losgröße 1 & Mass Customization. Produkt Konfiguratoren sind hierbei ein nützliches Tool und bieten sowohl den Kund:innen als auch dem Hersteller unzählige Vorteile. Die Kund:innen von heute und morgen verlangen individualisierbare Produkte, die sie damit einfach und unkompliziert gestalten können. Hersteller hingegen profitieren durch den Einsatz eines Konfigurators von einem geringeren Beratungsaufwand und einem effizienteren Vertriebsprozess.
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